Das Gesellschaftssystem der Wikinger

Wenn man es vereinfacht beschreiben will bestand die Wikingergesellschaft aus 3 Klassen.

An oberster Stelle stand der Adel (Jarle). Der Königs- oder Jarlstitel konnte nicht nur vererbt, sondern auch von einflussreichen Unterstützern verliehen werden. Ein Jarl musste ein starker Krieger sein, der sich nicht scheute, Seite an Seite mit seinen Männern zu kämpfen, sowie ein guter Redner, der seine Anhänger überzeugen und ihnen immer neue Hoffnung machen konnte.

An zweiter Stelle standen die Freien (Karls). Diese Männer besaßen völlige Freiheit, hatten das Recht, Waffen zu tragen und durften bei Versammlungen bezüglich öffentlicher Angelegenheiten ihre Meinung äußern. Sie genossen viele gesetzlich festgelegte Vorteile, die erst mit dem Ende der Wikingerzeit verschwanden, als die feudale Unterdrückung der Bauern, die im restlichen Europa schon etabliert war, auch in den nordischen Ländern Einzug hielt.
Händler hatten in etwa die gleiche gesellschaftliche Stellung inne wie die Landbesitzer, auch wenn ihnen selbst kein Gebiet gehörte. Sie benötigten allerdings einen festen Wohnsitz, der für gesetzliche Angelegenheiten notwendig war, vor allem, um jemanden zur Thingversammlung zu bestellen, wenn dort eine Angelegenheit geregelt werden musste. Daher durfte man in Island auch nur einmal im Jahr während einem feststehenden Zeitraum von vier Tagen seinen Wohnsitz wechseln.

An dritter Stelle standen die Unfreien (Thrall), die wie lebender Besitz behandelt wurden und praktisch keine Rechte hatten. Sie konnten nichts besitzen, erben oder vererben und auch keine Geschäfte abschließen. Eine Heirat unter Sklaven wurde als ungültig betrachtet. Nicht anders als ihre rechtliche Stellung war auch ihr Ansehen: Man hielt sie für feig, dumm und unzuverlässig. Allerdings waren sie im Handel der damaligen Zeit ein bedeutender Faktor. In Haithabu zum Beispiel wurden regelmäßig Gefangene aus Überfällen verkauft. Viele der Sklaven kamen aus den slawischen Gebieten im Osten und aus den westeuropäischen Gebieten, wo die Wikinger häufig plünderten. Hinzu kamen Leute, die eine Schuld nicht begleichen konnten und daher bis zur Schuldenfreiheit in den Dienst des anderen treten mussten. Zwar waren Sklaven zum Betreiben eines Hofes notwendig, doch bestand die Gefahr, dass, falls man zu viele von ihnen einsetzte, diese die Oberhand gewinnen und einen Aufstand wagen konnten. Man konnte zwar aus der Sklaverei entlassen und somit zu einem freien Mann werden, doch der soziale Status solcher Personen war noch immer sehr niedrig. Wenn sie ohne einen Erben starben, fiel ihr Besitz wieder an ihren vorherigen Herren zurück. Allerdings waren in Island die Kinder eines Freigelassenen selbst vollkommen frei, in Norwegen erst nach vier Generationen.

Es gab auch Leute, die völlig außerhalb der Gesellschaft standen. Dazu zählten Bettler und mittellose Umherreisende, Zauberer und Seherinnen. Wurde man, beispielsweise aufgrund eines Verbrechens, geächtet, wurde man wie ein wildes Tier betrachtet und durfte von jedem straflos getötet werden.

Der soziale Status war nicht unabänderbar. Ein freier Mann konnte, indem er genügend Reichtum und Ruhm erwarb, durchaus den Status eines Jarl erreichen. Andererseits konnte ein Jarl, wenn er seinen Pflichten (Erhalt von Sicherheit, Wohlstand und Ehre in seinem Gebiet) nicht nachkam, schnell diesen Titel verlieren. Die wikingische Gesellschaft unterschied sich also in wesentlichen Punkten von der des restlichen Europa.